Auf Grund von vermehrten Anfragen in den letzten Wochen, nehme ich es zum Anlass, einen Blog über Freiwilligenarbeit allgemein, aber auch im Zusammenhang mit unserem Projekt, zu thematisieren.
Meine Erfahrungen als Freiwillige in Ghana
Meine Arbeit als Freiwillige 2009 in Ghana bedeutet für mich alles – sie hat mein Leben geprägt, verändert und visioniert. Meine Motivation für all das, was ihr auf dieser Homepage seht, fußt auf meinem ersten Besuch in unserem Waisenhaus in Ghana. Für mich war es genau das, was ich gesucht habe – eine authentische Erfahrung in einem afrikanischen Land, wobei ich wirklich jemanden unterstützen kann. Und das konnte ich. Von Tag 1 bis zum letzten hatte ich das Gefühl, dass ich Arbeit abnahm, anstatt welche zu verursachen, ich baute eine enge Beziehung zu vielen der Kinder auf und für mich war auch schnell klar, dass es dabei nicht bleiben sollte. Für mich war klar, dass ich in irgendeiner Form mit dem Projekt in Kontakt bleibe und unterstützen will. Dass es nun diesen Verein gibt, der schon viele Projekte umgesetzt hat, viele Unterstützer hat und weiter wächst, war dabei allerdings utopisch. Gleichzeitig beobachtete ich damals aber auch, dass es viele Freiwillige gab, die einen anderen Tagesablauf hatten. Sie wohnten meist in Gastfamilien, arbeiteten am Nachmittag für ein paar Stunden in einem Projekt und der Fokus war mehr auf die Erkundung des Landes als auf die ehrenamtliche Arbeit gelegt. Ich wunderte mich damals schon, warum diese Leute dann nicht einfach eine Rundreise machten, sondern sich für einen Freiwilligendienst anmeldeten, aber verfolgte meine Gedanken auch nicht groß weiter. Weiterhin tauschte ich mich mit anderen Freiwilligen aus, die ihrer Aufgabe in den Projekten gar nicht gewachsen waren. In den Schulen Ghana’s wurde und wird noch viel mit dem Stock diszipliniert, was für uns 18-Jährige, aufgewachsen in einem gewaltfreien Bildungsumfeld, natürlich erschreckend ist. Neben dem Stock kamen auch Probleme durch fehlende Lehrer und Material hinzu. Ohne eine pädagogische Ausbildung und Berufserfahrung für einen Freiwilligen definitiv eine nicht zu schaffende Aufgabe. Ich war damals froh, mich nicht für solche Projekte beworben zu haben, denn auch ich wäre da an meine Grenzen gekommen.
Der Freiwilligenmarkt in Afrika boomt
Einige Jahre später boomte der Freiwilligen-Markt, es gab eigentlich kaum jemanden mehr, der nicht für ein paar Monate oder ein Jahr nach dem Abitur oder dem ersten Studienabschluss in ein asiatisches oder afrikanisches Land reiste und als Freiwillige/r eingesetzt war. Zu der Zeit wurde auch das ‚weltwärts’ Programm bekannter, welches durch das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit unterstützt ist, und Freiwillige mit viel Betreuung und Bedingungen für mindestens 12 Monate ins Ausland zu Projekten vermittelt. Auf den Boom folgte die Kritik. Unter den Begriffen „Voluntourism“ wurden kritische Stimmen laut, die sagten, dass viele Freiwilligendienste nicht dazu führten, Projekten vor Ort zu helfen, sondern Europäer/innen zu der Illusion verhelfen, ehrenhafte Ritter zu sein. Die ehrenhaften Ritter wiederum verbreiten ihre großen Taten in sozialen Medien, in der Regel handelt es sich dabei um eine junge, europäische Frau, die ein kleines afrikanisches Kind auf dem Arm hält, Kulleraugen, zerrissene Hose und dicker Bauch inklusive. Der Stereotyp ist damit genährt. Arme kleine schwarze Kinder werden von großen, weißen Erwachsenen gerettet. Wie ehrenvoll. Das ist das Bild, welches seit dem Ende der Kolonialmachten und mit Auftrieb der Wohlfahrtsorganisationen stetig aufrechterhalten wird. Und das ist schade. Denn es nährt auch der Bild der Ungleichheit und Überlegenheit Weißer gegenüber Schwarzen. Nicht nur Freiwilligendienste müssen sich dieser Kritik stellen, sondern auch viele internationale Hilfsorganisationen, die genau mit diesem Bild SpenderInnen anlocken zu versuchen. Bei den Hilfsorganisationen hat sich allerdings wenigstens mittlerweile der Projektansatz vor Ort von dem Marketing in Deutschland stark getrennt. Bei vielen Freiwilligendiensten allerdings kommt oft tatsächlich die Frage hoch: Wer hilft hier eigentlich wem? Ich bin ebenfalls der Meinung, dass es viele Projekte gibt, wo die Unterstützung nicht ausgebildeter Freiwilligen keinen Mehrwert bringt, sondern höchstens mehr Betreuungsaufwand und eine kleine Einnahmequelle. Die ehrenamtlichen Reisenden lassen sich den Spaß nämlich einiges kosten (ich spreche aus eigener Erfahrung). Und auch hier gibt es wieder ein Problem. Längere Aufenthalte sind natürlich teurer, kürzere Aufenthalte bringen allerdings dem Projekt noch weniger. Bei unseren Kindern bemerkte ich ebenfalls, dass die Kinder oft schon total abgehärtet waren, neue Beziehungen mit weißen Helfern wurden binnen weniger Stunden aufgebaut, der Abschied war für einige kurz und schmerzlos, für andere sehr tragisch. Vor allem Kindern, die ihre Eltern verloren haben, sollte man langfristige, ehrliche Beziehungen zumuten, nicht andersherum. Das ist auch ein Grund, weshalb ich das weltwärts-Programm hier besser finde als andere Freiwilligendienste. Mindestens 12 Monate sind die Helfer in einem Projekt, erhalten vorher eine Vorbereitung und berichten jeden Monat über ihre Arbeit. So erlernen sie gleichzeitig zu reflektieren und sind möglicherweise auch motivierter, sich vor Ort sinnvoll einzubringen. Außerdem würde ich begrüßen, bei der Art der Projekte einen sinnvolle Auswahl zu treffen. Vor allem kleine Kinder mit schwierigen Vorgeschichten möchte ich persönlich lieber in Händen ausgebildeter Betreuer sehen. In einem Umweltprojekt, einer Essensausgabe für Obdachlose oder einem Tierreservoir muss man da vielleicht weniger streng sein. Kinder sind schutzbedürftig und ich finde es falsch, sie wie Tiere in einem Zoo zu behandeln.
Ein Fazit zum Freiwilligendienst in Afrika
Wie gesagt, alle Kritikpunkte in Ehren, bin ich ebenso durch den Freiwilligendienst damals zu meiner Arbeit hier gekommen und würde alles wieder genauso machen. Allerdings hoffe ich, dass die Freiwilligenarbeit mehr an Qualität und gewissenhaften Ehrenamtlichen gewinnt und weniger kommerziellen Charakter.
Dasselbe gilt für unsere Organisation. Wie wir auch hier auf unserer Homepage deutlich machen, betreuen wir keine Freiwilligendienste. Auch unser Partner vor Ort ist vor einigen Jahren von der Partnerschaft mit einer Freiwilligenorganisation zurückgetreten. Unsere Kinder sind mittlerweile größer, sodass nicht wirklich viel Unterstützung benötigt wird. Unser Waisenhaus funktioniert wie eine Großfamilie, jeder hat seine Aufgaben, sodass alles reibungslos funktioniert. Sofern natürlich jemand sagt, er oder sie möchte für ein Jahr in Ghana arbeiten und hat Erfahrungen in der Buchhaltung, Nachhilfe in Französisch und Mathematik oder ist Ausbilder in einem bestimmten benötigten Berufsfeld, sind wir offen darüber Gespräche zu führen. Gleichzeitig behalten wir uns aber vor, für Risiken aufzukommen, die ein solcher Aufenthalt mit sich bringt, vor allem gesundheitliche Risiken muss ein Freiwilligen in dem Fall selbst tragen.
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