Ein Tag im Waisenhaus

4.30 Uhr, ich wache auf, da die Kinder (die Mädchen schlafen bei mir nebenan) aufstehen und alle der Reihe nach ins Bad gehen. Wenige Zeit später höre ich draußen jemanden fegen, jemanden Metallschüsseln stapeln, jemanden einen Wassereimer tragen und ein paar Stimmen höre ich auch. Ich nicke immer wieder weg und wache immer wieder auf. Je nach meiner Verfassung – die meisten wissen, dass ich oft sehr bescheiden schlafe – stehe ich zwischen 5 und 6.30 auch auf. Ich laufe von meinem Zimmer aus durch die Tür ins Wohnzimmer, ‚Good Morning Mummy’, ‚Good Morning Mummy’, ‚Good Morning Mummy’. Die Kids begrüßen mich und gehen schnell wieder ihren Aufgaben nach. Einige Kinder sind schon duschen, ich höre sie im Bad, Hadija cremt sich ein, Vida fragt mich, ob ich ihre Schuluniform hinten zumachen kann, Fadila fragt nach einer Bürste. Ich gehe durch die Küche raus auf die Veranda und sehe links von mir die Kochstelle. Sanatu fächert die Glut und rührt ab und an die Soße. In einer halben Stunde wird diese, zusammen mit Reis und manchmal etwas Fleisch, in die Lunch-Boxen der Kinder gefüllt. Auf der Mauer der Veranda stehen die Schüsseln der Kinder aufgereiht, bereit für das Frühstück gefüllt und von den Kindern geleert zu werden. Morgens essen die Kinder meist irgendeine Form von Haferschleim, manchmal mit Brot. Joshua kommt, trägt bereits seine blau, beige Schuluniform und nimmt sich seine Schüssel. Jeder nimmt sich, wenn er fertig mit duschen und seinen Aufgaben im Haushalt ist. Joshua löffelt den Hafterschleim leer, geht anschließend seine Schüssel abwaschen und legt sie zum Trocknen in den orangenen Korb auf der Veranda. Die anderen sind noch nicht fertig, Matheis fegt hinter dem Haus, ein paar der kleinen Jungs füttern die Tiere und Debby wäscht die Töpfe und Schüssel vom Vorabend ab. Ich beobachte sie und schaue, ob ich noch Geschirr in der Küche oder auf der Veranda finde, was ich ihr bringen kann. Auf dem Weg zurück in mein Zimmer, läuft mir Dalila über den Weg. Sie hat zwei kleine Wunden am Bein und ich erinnere sie daran, dass sie mir Bescheid sagen soll, wenn sie duschen war, damit ich die Wunden sauber machen und Pflaster drauf machen kann. Ich hole meine Thermoskanne aus dem Zimmer, in die Sanatu heißes Wasser reinfüllen wird. Währenddessen nehme ich mir auch eine Tasse Haferschleim und beginne zu löffeln. Später schneide ich mir noch Obst und manchmal gibt es Ei oder Brot mit Nutella. Dann geht meist alles ganz schnell. Die letzten streifen ihre Schuluniformen über, schnappen ihre Lunch-Boxen und laufen raus. Ich klebe Dalila noch eben ein Pflaster auf ihr Bein und entlasse sie, gehe vorne raus und winke den Kindern. Fadila, Rejoice und Sanatu haben schon begonnen, draußen an der Kochstelle und in der Küche alles sauber zu machen. Ich verziehe mich in mein Zimmer, frühstücke zu Ende, putze Zähne und dusche.

Je nachdem was ansteht, checke ich meine Mails, schaue nach Jobangeboten, bereite ein paar Posts vor für unsere Vereins-Facebook-Seite, lese Nachrichten, mache Sport, lerne Arabisch oder Dagbani oder mach ein kleines Nickerchen. Wenn etwas zu erledigen ist, gehe ich mit Gideon oder Fadila in Richtung Straße und wir nehmen ein Tuktuk in die Stadt. Wenn nicht, dann bleiben alle zu Hause und vertreiben sich die Zeit. Irgendwann sitzt auch Silas im Wohnzimmer und frühstückt. Geselle ich mich dazu, beginnen unsere langwierigen, aber wichtigen Gespräche über sämtliche Themen, die die Kinder betreffen – wie sind die Schuljahres-Ergebnisse, für welche Kinder brauchen wir neue Matratzen, wie sieht die Zukunft des Waisenhauses aus, was sagte das Sozialministerium bei ihrem letzten Besuch, stehen Reparaturen an, was ist die Woche geplant und und und … Silas ist für mich wie ein Vater, aber gleichzeitig Partner auf Augenhöhe, wir sprechen ehrlich über alles, es gibt keine Tabus und wir nehmen uns beide die Zeit, die es dafür braucht, um alles detailliert zu diskutieren. Das schätze ich sehr, denn nur durch seine geduldige und aufmerksame Art, geht es den Kindern, wie es den Kindern geht. Auch für sie ist er die Bezugsperson bei allen möglichen Anliegen, Problemchen, Wehwehchen und Fragen.

Gegen 15 Uhr kommen die Kinder aus der Schule, stürmen in den Hof und reißen sich quasi die Uniformen vom Leib. Diese bringen sie zum Waschen links neben das Haus und waschen der Reihe nach ihre mit roter Erde vom Spielen beschmutzten Uniformen, damit sie am nächsten Tag wieder sauber sind. Bei ganzjährig mindestens 30 Grad Temperatur, braucht man sich auch keine Sorgen machen, dass die Kleidung bis zum nächsten Tag nicht trocken wird. Selbst wenn es regnet, trocknet es im Haus schnell. Sind Sanatu, Silas und/oder ich im Haus, kommen alle Kinder und begrüßen uns einzeln, mit einer kleinen Verbeugung. Traditionell aus Respekt vor dem Alter, machen das alle Ghanaer. Auch wenn man Nachbarn auf dem Weg in die Stadt antrifft, verbeugt man sich bei der Begrüßung vor den Älteren.

Danach werden alle Lunch-Boxen aus den Rucksäcken geholt und wer noch etwas drin hat, vertilgt es in der Küche. Nach dem bereits langen Tag für die Kinder wird nun erstmal etwas gechillt, Fern geschaut, geschlafen oder Ähnliches. Nach 1…2 h erwachen die Kinder meist wieder zum Leben und gehen entweder ihren häuslichen Aufgaben nach oder gehen raus und spielen. Die Jungs schwärmen auf die Felder aus. Ehrlich gesagt, bin ich noch nie mitgegangen und kann deshalb gar nicht beschreiben was genau sie machen. Aber ich nehme mal an, sie machen das, was man eben so macht, wenn man Reis, Mais und Kartoffeln anbaut. Godwin oder Gideon laufen los und gehen auf Eiersuche, oft begleite ich die beiden. Unsere Hühner legen rund um das Grundstück ihre Eier, in einem Umkreis von circa 100 Meters. Also strömen wir in alle Himmelsrichtungen aus, gehen zu den bekannten Legeplätzen und sammeln die Eier ein. Was das Sport-Programm angeht, spiele ich oft nachmittags mit Fusseini, Somed, Joshua und Sadic Fußball, übe mit Joshua Rad fahren oder mache mit der ganzen Truppe ein bisschen Bewegung und Tanz. Gegen 18.30 Uhr ruft mich Sanatu, überreicht mir mein Abendessen und bittet mich, ALLES aufzuessen. Das schaffe ich meist nur an einem von sieben Tag, aber wenn ich es schaffe, ist Sanatu jedes Mal überglücklich. Das erste Mal, als ich in Ghana war, 2009, schaffte Sanatu es tatsächlich mich zu mästen und ich hatte am Ende der 6 Monate ein paar Kilo mehr auf den Rippen 😉 Meist, wenn Silas und ich Essen bekommen haben, bekommen die Kinder ihre Schüsseln. Wir sitzen alle zusammen am Kochplatz und essen schweigend. Prince, Batista und Mous, die Hunde und Katze, schleichen derweil um uns herum und hoffen auf ein paar Reste, die sie vertilgen können. Bei mir haben sie oft gute Chancen. Nachdem ich meine Reste auf die Kinder um mich herum und Tiere aufgeteilt habe, stehe ich auf und wasche mein Geschirr, wie alle anderen auch. Je nachdem, wird dann noch Film geschaut, gemalt, gelernt, wenn ein Test ansteht, Hausaufgaben gemacht und Wunden versorgt. Spätestens 9 Uhr liegen alle im Bett, so auch ich. Und in ein paar Stunden, werde ich wieder geweckt von den erwachenden Kindern, meinen wirren Träumen oder Regenschauer, der laut aufs Dach prasselt. Gute Nacht Tamale.

Gute Nacht Res

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